Vergleichende Werbung ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite bietet sie die Möglichkeit, die Konkurrenz pointiert aufs Korn zu nehmen. Auf der anderen Seite kann es nach hinten losgehen, wenn Marken sich über einen Wettbewerber erheben – erst recht, wenn sie die Qualität seines Angebots direkt in Frage stellen. Wie sieht das im Fall der aktuellen NZZ-Kampagne aus?
Auf den ersten Blick scheint die Textkampagne gelungen. Die serienfähigen Headlines referieren doppelsinnig auf die Namen anderer Zeitungen und verknüpfen sie mit ironischen Botschaften. Das kann bei schlichteren Zeitgenossen schon mal bauchklatschende Heiterkeit auslösen – so geschehen in den Kommentarspalten der Social-Media-Kanäle. Aber funktioniert das auch, wenn Leser:innen mehr erwarten als einen kurzatmigen Gag auf Kosten anderer?
Dazu lohnt sich der Blick ins Detail.
„Sie verstehen die Welt nicht mehr?“
Die Frage hätte einen Sinn, würde sie sich auf ein echtes oder wahrgenommenes Defizit beziehen. Sprich: Wenn die „Welt“ in eine esoterische Unverständlichkeit abgeglitten wäre und die NZZ demgegenüber durch verständlich aufbereitete Information glänzen würde. Dabei handelt es sich aber um nichts weiter als als eine leere Behauptung. Bei deutschen Leser:innen kann der Schweizer Zungenschlag vieler Artikel („Bis anhin hätte man solche Obsessionen bloss zur Kenntnis genommen“) sogar eher für Fragezeichen sorgen.
„Sie können nicht mehr in den Spiegel blicken?“
Gehen wir davon aus, dass die Bezugnahme auf das geflügelte Wort „nicht mehr in den Spiegel schauen können“ Absicht ist. Zu einer ungeliebten Reflexion wird das Spiegelbild klassischerweise, wenn uns eine moralische Verfehlung peinlich ist. Aber worin sollte diese im Fall des „Spiegels“ bestehen? Der Relotius-Skandal liegt schon zu weit in der Vergangenheit. Er hat die Integrität des Hamburger Nachrichtenmagazins auch nicht grundlegend beschädigt – und weitere Tatbestände sind nicht greifbar. Damit entbehrt die Headline jeder Substanz.
„Die Zeit können Sie sich sparen.“
Dahinter kann sich entweder die Unterstellung verbergen, dass eine Lektüre der „Zeit“ zu zeitraubend ist, zum Beispiel aufgrund langatmiger Artikel, die nicht auf den Punkt kommen. Dafür gibt es jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Die zweite Möglichkeit: Die NZZ will kritisieren, dass die Konkurrenz gemessen an dem Mehrwert, den sie ihren Leser:innen bietet, schlicht und ergreifend zu teuer ist. Oder sollten sich die Schweizer etwa zu der Behauptung aufschwingen, dass ohnehin alles besser oder leichter konsumierbar in ihrem Blatt steht? Auch hier stolpern wir auf der Suche nach Inhalten ins Leere.
Ironie funktioniert nur, wenn sie einen Wahrheitskern besitzt, sonst wird sie zum belanglosen Geplänkel. In der Werbung können Marken Eigenes und Fremdes spielerisch-charmant gegeneinander abgrenzen, ohne die Konkurrenz bloßzustellen. Ein mustergültiges Beispiel hierfür ist eine Anzeige von BMW. Sie zeigt einen Lkw mit Stern, der mit nagelneuen Fahrzeugen des bayrischen Autobauers beladen ist, darunter die Headline: „Auch ein Mercedes kann Fahrfreude bringen.“
Die NZZ verpasst die Chance, ihr Image als Qualitätsmedium zu stärken. Ihre Inhaltsleere entlarvt die Kampagne als infantilen Lausbubenstreich, als pseudo-kreative Werberidee auf Juniorniveau. Anspruchsvolle Leser:innen wird sie auf diesem Weg kaum erreichen.