Manchmal kommen die Impulse für die Employer Branding Entwicklung von unerwarteter Stelle. So geht es in einem Interview, das der Schauspieler, Kabarettist, Entertainer, Schriftsteller und Fernsehmoderator Harald Schmidt im Jahr 2013 für die F.A.Z gegeben hat, um Authentizität: die Frage, wann wir wir selbst sind und ob dieses „Man selbst“ überhaupt existiert. Schmidt verneint das: Es bringe nichts, zwischen temporärer Rolle bzw. Maske und einem eigentlichen Ich zu unterscheiden. Ob er, Schmidt, in der Rolle des Köln-Bewohners, Bahnreisenden oder Kinder-vom-Kindergarten-Abholers er selbst sei oder nicht, sei irrelevant. Entscheidend sei das, was der Umgang mit anderen erfordere.

Doppelgesichtige Schriftsteller

In Bezug auf den Umgang mit Autoren – es lebe der Widerspruch! – lässt Schmidt allerdings nichts auf die zuvor geleugnete Doppelbödigkeit kommen. Wenn schriftstellerische Werke mit der Zeit blasser werden, trete der Lebensstil ihrer Schöpfer in den Vordergrund. Das sei vor allem in den Tagebüchern unserer Dichter und Denker der Fall. Hier würden Banalitäten und einfache Bedürfnisse regelmäßig das Hochgeistige überflügeln. So lasse sich Thomas Mann über Pudelmaniküre aus, während Peter Sloterdijk darüber jammere, dass ihm Stanfort keine Business-Class bezahlt. Und in den Tagebuchprotokollen des Großkritikers Fritz J. Raddatz brechen sich persönliche Empfindlichkeiten Bahn: „Wieder mal kein Dankeskärtchen. Teuerste Butter habe ich aufgefahren. Dass ich Rosen schicke, wird nicht bemerkt. Man nimmt nur.“

Employer Branding Entwicklung: Auf Hochglanz polierte Arbeitgeber-Images

Was verrät uns das über das Employer Branding? Zunächst: Employer Branding ist eine – mal mehr, mal weniger gelungene – Inszenierung des Absenders. Als strategischer Marketing-Prozess auf einer übergeordneten Ebene mündet es in einer generellen Haltung und in einem unternehmensweiten Ziel, wie die Arbeitgebermarke beschaffen und wahrgenommen werden soll. Auch wenn Zielgruppen-Interviews oder Erkenntnisse des Recruitings in die Formulierung einfließen, kann Employer Branding nur allgemeine Aussagen jenseits dessen erzeugen, was von fühlenden und atmenden Menschen als relevant empfunden wird. Diese Botschaften besitzen genauso wenig Hebelwirkung für die Besetzung offener Stellen wie die oft frei zusammengewürfelten Benefits. Denn es fehlt das eigentlich Naheliegende: die Befriedigung der unmittelbaren Bedürfnisse.

Viele Employer Branding Claims haben mit der Lebensrealität von Mitarbeitenden erschreckend wenig zu tun:

  • Deutsche Post: „Menschen verbinden. Leben verbessern.“
  • Emirates: „Where could you be tomorrow?”
  • Samsung: „Do something big.“
  • Spotify: „Making some noise.“
  • Puhlheim: „Du bist die Stadt von morgen.“

Employer Branding Entwicklung: Lebensnahes Team-Branding

Ein Ansatz, das Employer Branding stärker mit der Realität von Bewerber:innen zu verbinden, ist das deutlich konkretere Team-Branding. Es bezieht sich auf eine kleinere Gruppe potenzieller neuer Kolleg:innen, in der die ausgeschriebene Position angesiedelt ist. Zugeschnitten auf das Team finden sich sehr schnell zutreffende Beschreibungen, Werte, Besonderheiten und Team-spezifische Benefits. Bewerber:innen erkennen so unmittelbar, wie die Abteilung tickt, auf welche Menschen sie dort treffen und ob sie selbst in das Team passen könnten. So lassen sich Bedürfnisse von Bewerber:innen nach der passenden Chemie am Arbeitsplatz und gelingender Zusammenarbeit direkt ansteuern.

Employer Brainding Entwicklung: Zeit für einen Perspektivenwechsel

Geht es laut Schmidt in den Gesprächen zwischen Ernst Jünger und Heiner Müller eigentlich nur darum: „Wo ist mein Schokoladeneis?“ – dann führt uns dieser Fingerzeig direkt in das Kellergeschoss des Alltäglichen, Praktischen und Affektiven, an die beiden untersten Segmente der Maslowschen Bedürfnispyramide. Hierher dringt kein Lichtstrahl des klassischen Employer Brandings. An diesem Gegenort stellen sich Bewerber:innen Fragen, deren Existenz keine Marketing-Abteilung erahnt. Allerdings sind die Antworten darauf für die Zielgruppe existenzieller als jede vollmundige Selbstbeschreibung von Arbeitgebern.

Hinwendung zu den realen Bedürfnislagen

In Bezug auf die persönliche Sicherheit lauten die Fragen beispielsweise: Bekomme ich einen unbefristeten Vertrag? Wie werde ich in der Probezeit begleitet? Wird mein Rentenprodukt, in das mein früheres Unternehmen und ich im Rahmen der bAV jahrelang eingezahlt haben, übernommen? Oder muss ich mir den angesparten Betrag mit Verlust auszahlen lassen? Beim Jobangebot in der Innenstadt: Wie laut ist es im Büro? Verzweifele ich morgens bei der Parkplatzsuche oder wird mir ein Tiefgaragenplatz zur Verfügung gestellt? Bei der freien Stelle an der Peripherie: Wo verbringe ich meine Mittagspausen? Gibt es ein gastronomisches Angebot und Einkaufsmöglichkeiten? Eine Küche mit Mikrowelle? Oder eine Kantine? Mit Blick auf unseren aufgeheizten Planeten: Ist mein Arbeitsraum klimatisiert oder schwitze ich mich in den Sommermonaten zu Tode?

Wenn Employer Branding konkret wird, echte Unterstützung bietet und es gelingt, an Primärbedürfnisse von Mitarbeitenden anzudocken, hat es eine Chance, mehr Wirkung zu entfalten als eine Arbeitgebermarke, die nur auf wohlklingende Worte setzt.