Das Plusquamperfekt ist die Diva unter den Zeiten: Es tritt nur auf, wenn die Bühne frei ist – und niemals allein. Die Form markiert Vergangenes vor anderem Vergangenen: Erst dies, davor das. Grammatisch klar, im Alltag gern verwuschelt.
Meist überflüssig
In der Sozialdoku „Hartz und herzlich“ sagt ein Mann mit roter Lesebrille: „Ich war am Wochenende bei meinem Bruder gewesen.“ Ein Satz wie eine Winterjacke im Hochsommer: doppelt warm, aber niemand hat danach verlangt. Hier reicht Präteritum („Ich war …“) oder Perfekt („Ich bin … gewesen“). Plusquamperfekt wäre nur sinnvoll, wenn danach ein zweiter, späterer Vergangenheitsmoment folgt: „Ich war am Wochenende bei meinem Bruder gewesen, bevor die Polizei anrief.“ Dann hat die Diva ihren Auftritt – mit Stichwort.
Zweites Zitat desselben Herren: „Angelo hatte sich immer gefreut gehabt.“ Auch das ist ein unnötiger Versuch, das Plusquamperfekt zu bilden. Standardsprachlich reicht „hatte sich gefreut“. Die Form „gefreut gehabt“ ist ein doppeltes Perfekt: in süddeutschen, österreichischen und schweizerischen Dialekten verbreitet, aber sonst fehl am Platz. Sie bläht die Vorvergangenheit auf, ohne eine Information zu transportieren – grammatisch überflüssig, stilistisch ein Stolperstein.
Bevor etwas war, war schon was
Worum geht’s also? Vorzeitigkeit. Das Plusquamperfekt verortet ein Ereignis vor einem anderen vergangenen Bezugspunkt. Ohne diesen Bezugspunkt wirkt es aufgeblasen. Bindewörter wie „bevor“, „nachdem“ oder „zuvor“ sind die klassischen Einweiser. Beispiel: „Nachdem er drei Jahre in Bonn gewesen war, zog er nach Köln.“ Genau dafür ist die Form „war gewesen“ da – nicht für die bloße Erzählvergangenheit.
Und das berüchtigte „war gewesen“ – ist das per se falsch? Nein. Es ist schlicht das Plusquamperfekt von „sein“ und korrekt, wenn eine spätere Vergangenheit im Spiel ist. Problematisch wird’s, wenn es an die Stelle von Präteritum oder Perfekt rutscht („Früher war alles anders“, „Früher ist das nicht gewesen“) und so mehr Vergangenheit vorgaukelt, als der Satz braucht. In der gesprochenen Sprache tauchen zudem Doppel-Konstruktionen („gehabt gehabt“, „gewesen gewesen“) auf; der Duden führt sie als umgangssprachliche Erscheinung – funktional teils im Konjunktiv, stilistisch aber heikel. Kurz: möglich, selten nötig.
Zur Einordnung hilft ein kleiner Merksatz (ganz ohne Grammatik-Jargon):
Plusquamperfekt liebt Partner. Auch wenn alle Wesen wesen: ohne späteren Vergangenheitsmoment – kein Auftritt.
Warum stolpern so viele darüber? Weil Erzählrhythmus und Alltagssprache gern „Gewesenheit“ nachschieben, wo ein Abschluss schon durch Perfekt oder Präteritum markiert ist. Selbst Erklärseiten rutschen da gelegentlich aus und schreiben Sätze wie: „… was geschehen war“, obwohl im Kontext kein zweiter Vergangenheitsanker existiert. Das klingt gelehrt, ist aber grammatisch unnötig.
Auf einen Blick
Zum Schluss der Schnellkurs ohne Zeigefinger:
- Wer einfach erzählt, bleibt bei war/ist gewesen.
- Wer Vorher/Nachher in der Vergangenheit zeigen will, lädt die Diva Plusquamperfekt ein – mit Beweisstück („bevor“, „nachdem“, „zuvor“).
- Und wer sagt „Ich war da gewesen“, ohne Anschluss – hat der Diva den Einsatz gegeben, aber das Orchester vergessen.
So klingt’s klar – und der Mann mit der roten Lesebrille darf sie gern als Gast behalten.